Veröffentlicht am 27.06.2025

Kundenanforderung Nr. 1: "Kann ich die Bestellung nochmal ändern?"

Baulogistik kann man sachlich erklären. Oder man redet mit Oliver Brenningmeyer darüber. Oliver ist Vice President Product, Technology & Operations bei bex und jemand, mit dem ich seit Jahren über alles rund um digitale Baulogistik diskutiere. Mal mit Flipchart, mal mit Bierdeckel. Wir arbeiten zusammen bei bex, disputieren über Dispo-Prozesse und lachen über 17-seitige Lieferscheine. Wenn jemand weiß, wie es bei der Digitalisierung der Baulogistik wirklich zugeht, dann er.

Was uns verbindet? Die Überzeugung, dass Logistik besser geht. In dieser Folge von “Hätte Hätte Lieferkette” wollten wir keinen Smalltalk machen, sondern einen Realitätsabgleich.

digitale Baulogistik, Oliver Brenningmeyer

Worum geht’s?
Warum spontane Bestelländerungen inzwischen zur Grundausstattung gehören
Was Digitalisierung mit Theaterkulissen zu tun hat
Und wieso Nachhaltigkeit mehr braucht als eine ESG-Folie auf dem Laptop

Kurz: Um den ganz normalen Wahnsinn in der Baulogistik und was passieren müsste, damit aus Wahnsinn wieder Wertschöpfung wird.

Wenn man mit Oliver über Logistik spricht, landet man irgendwo zwischen der Frage, wie viele Excel-Sheets eigentlich zu viele sind und warum auf deutschen Baustellen oft mehr spontan umgeplant wird als auf einem Festival mit Regenwarnung.

Kundenanforderung Nr. 1: "Kann ich die Bestellung nochmal ändern?"

Flexibilität ist das Feature, das alle wollen, aber keiner bezahlen will. Und Baulogistik ist der Ort, wo sich dieser Satz täglich bewahrheitet. „Der beliebteste Button ist: Bestellung ändern“, sagt Oliver. Und damit ist eigentlich schon alles gesagt.

Was früher eine Ausnahme war, ist heute der Standard: Änderungswünsche im Minutentakt, spontane Anlieferungen, unvorhersehbare Verschiebungen. Warum das so ist? Weil wir es aus unserem Alltag gewöhnt sind. Pizza per App in 20 Minuten? Klar. Warum dann nicht auch Estrich auf die Baustelle?

Die Baustelle selbst hat sich auch gewandelt. Die Vorlaufzeiten werden kürzer, die Planung unsauberer, die Einzelsendungen kleinteiliger. Es gibt weniger Puffer, aber mehr Erwartung. Lieferanten und Dienstleister sollen ausgleichen, was am Anfang nicht richtig geplant wurde. Und das am besten kostenlos.

Das klingt absurd, ist aber Alltag. Und wer darin bestehen will, braucht nicht nur gute Nerven, sondern ein System, das damit umgehen kann.

Digitalisierung: Zwischen Fassade und Fundament

Spätestens wenn man merkt, wie oft in der Branche noch mit Fax, Telefon und Screenshot gearbeitet wird, wird klar: Digitalisierung ist zwar überall Thema, aber selten Substanz.

Viele Unternehmen, so sagt Oliver, sind im Konzertsaal, aber nur wenige sind Dirigent. Die einen lassen sich beschallen, die anderen machen den Takt.

Digitalisierung bedeutet in der Baulogistik zu oft: Ein bisschen App vorne, aber hinten weiter Chaos. Ein TMS ersetzt dann das Magnetboard, aber nur für die Anzeige. Die eigentliche Arbeit bleibt gleich unstrukturiert.

Was fehlt? Saubere Stammdaten, durchdachte Schnittstellen, Rollenverteilung und Vertrauen. Digitalisierung ist kein Plugin, sondern ein Umbau. Und ja: Transparenz ist dabei der wunde Punkt.

„Transparenz ist nicht immer gewollt. Weil man mit Intransparenz auch Geld verdienen kann.“

Trotzdem: Wer besser werden will, braucht Transparenz. Und wer flexibel liefern will, braucht vernetzte Systeme. Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern die Voraussetzung für alles, was als Nächstes kommt.

Oliver Brenningmeyer

Oliver Brenningmeyer

"Welche Motivation hat man, Datenteile zu teilen? Damit macht man sich transparent. Doch mit Intransparenz in der Logistik lässt sich oft Geld verdienen."

Nachhaltigkeit: Buzzword oder Business Case?

CO₂-Reduktion, E-LKWs, Recyclingquoten Nachhaltigkeit steht überall in den Präsentationen. Aber wie sieht es in der Realität aus?

Laut Oliver ist das Bild gemischt. Einige gehen voran: Ein Kunde hat gerade 15 E-LKWs gekauft. Andere rechnen noch, ob sich ein Gebrauchttransporter nicht doch mehr lohnt.

Dabei ist das Thema gekommen, um zu bleiben. Politisch, regulatorisch und mental. CO₂-Preise steigen, ESG-Berichte kommen, Scope-3 rückt näher. Wer Lieferketten nachhaltig gestalten will, kommt an echten Veränderungen nicht vorbei.

Das Problem: Viele wollen den Applaus, aber nicht die Arbeit. Nachhaltigkeit scheitert oft nicht an der Technik, sondern an der Priorität.

„Wenn es sich sofort lohnen würde, würden es alle machen“, sagt Oliver. Stimmt. Deshalb braucht es Unternehmen, die nicht nur kurzfristig denken. Die nicht auf den nächsten Fördertopf warten, sondern anfangen. Auch wenn der ROI nicht morgen auf dem Tisch liegt

Aber auch: Es ist was in Bewegung. Plattformen entstehen, Rollen verändern sich, Verantwortungen verschieben sich. Vielleicht heißt der Disponent in ein paar Jahren „Logistik Experience Manager“. Vielleicht sehen wir dann Baustellen, die wirklich digital geplant und sauber beliefert sind. Vielleicht reden wir 2030 nicht mehr über Sendungsverfolgung, sondern über Wertschöpfung durch Logistik.

Und vielleicht, ganz vielleicht ist das dann gar nicht mehr so nervig. Sondern einfach: normal.

Wenn euch das Gespräch gefallen hat: Lasst eine Bewertung da, teilt die Folge oder schickt sie an Leute, die schon mal versucht haben, einen LKW spontan durch eine Altstadt zu schicken.

Nächste Folge kommt. Mit mindestens genauso vielen Meinungen, Beispielen und wahrscheinlich auch wieder ein bisschen Capslock im Kundenfeedback.

Hätte Hätte Lieferkette Podcast Cover. Ein isometrischer Lkw in gelb und grau, dessen Plane oben offen ist. Daraus springt ein Mikrofon.

Der Baulogistik- &
Supply-Chain-Podcast

mit Lennart Paul