Veröffentlicht am 25.11.2025

Wie Kemmler Solar als Corporate Start-up den PV-Markt aufrollt | Mit Adrian Šonje

Mittelständler gründen Start-ups. Ein Satz, der oft nach einem schönen PR-Bericht klingt, in der Realität aber nur selten funktioniert. Zu viel Corporate-DNA, zu wenig Freiraum, zu viele Reibungsverluste. Doch die Kemmler-Firmengruppe – ein Baustoffriese mit 140 Jahren Geschichte und 2.000 Mitarbeitern – beweist mit Kemmler Solar das Gegenteil.

Adrian Šonje, Geschäftsführer von Kemmler Solar, hat in Folge 20 von „Hätte Hätte Lieferkette“ offengelegt, wie man ein solches Wagnis im Baubereich erfolgreich umsetzt. Die Antwort ist einleuchtend und komplex zugleich: Sie haben ihr Geschäftsmodell nicht gegen den etablierten Markt, sondern für ihre Top-Kunden im Dachbereich entwickelt und dabei die stärksten Assets der Kemmler-Gruppe maximal genutzt.

Vom Dachdecker-Partner zum End-to-End-Anbieter

Kemmler Solar ist mehr als nur ein PV-Händler. Es ist ein Komplett-Service-Anbieter, der aus dem spezifischen Bedarf der Dachdecker-Kunden entstanden ist.

Die Kemmler Baustoffe verkaufen jährlich Tausende von Dächern. Mit der in Baden-Württemberg und Bayern geltenden PV-Pflicht war klar: Es muss eine Lösung für die Kunden her. Die Dachdecker und Zimmerer können die Unterkonstruktion und die Paneele aufs Dach bringen, aber sobald es um Elektrik und Anschluss geht, hören die Kompetenzen vieler Handwerksbetriebe auf.

Hier dockt Kemmler Solar an:

  • Planung und Beratung: Wir fliegen die Dächer ab, erstellen 3D-Modelle und legen die PV-Anlagen aus.
  • Materialbeschaffung: Wir sourcen die Module, Wechselrichter und Speicher (mehr dazu bei der Supply Chain).
  • Elektrischer Anschluss: Wir übernehmen die gesamte Elektrik, Inbetriebnahme und Anmeldung – anfangs mit Partnern, heute mit eigenen Elektrikern.


Dieses Angebot macht Kemmler Solar zum starken, verlängerten Arm des Dachdeckers, der sich auf seine Kernkompetenz konzentrieren kann.

Adrian Šonje

„Ich glaube nicht, dass die Großen alles richtig machen, aber man kann von ihnen lernen.“

Die Skalierung: Das Bestandsdach-Geschäft

Das größte Learning und der Motor für das Wachstum war die Erkenntnis: Der Mix aus Profi- und Privatkundengeschäft beißt sich nicht. Die Nachfrage von Endkunden auf Bestandsdächern, die keine Neueindeckung brauchen, war enorm.

Heute agiert Kemmler Solar als eigenständiger Komplettanbieter für den Endkunden. Wir sind im Grunde ein hochgetakteter Handwerksbetrieb, der die gesamte Wertschöpfungskette abbildet: Vertrieb, Planung, Sourcing, Montage, Anschluss und Inbetriebnahme.

Top-Erkenntnis: Die Offenheit und Transparenz gegenüber den Profikunden, dass man selbst ins Endkundengeschäft einsteigt, führte nicht zum Widerstand, sondern zur Bestätigung, dass die Kunden das Vertrauen in die Marke Kemmler haben, um dort auch das Komplettpaket zu suchen.

Die Supply Chain: Warum die Logistik das A und O ist

Mit aktuell ca. 180 Anlagen im Jahr (und steigender Tendenz) ist der Durchsatz hoch. Das Zeitfenster auf der Baustelle ist eng: in der Regel zwei Tage (ein Tag Dach, ein Tag Keller). Hier wird die Logistik zum kritischen Erfolgsfaktor.

80 % des Materials stammen aus Fernost. Die Module und Batterien kommen per Container aus China. Nur bei den Wechselrichtern hat Kemmler Solar sich für einen europäischen Hersteller (aus Österreich) entschieden, um die europäische Produktion zu stärken – auch wenn die Komponenten teils ebenfalls aus China stammen.

  • A-Artikel (Module, Batterien): Direkteinkauf beim Lieferanten, monatliche Containerlieferungen. Planung über Jahresprognosen.
  • B-Artikel (Unterkonstruktion): Standardware, die durchgehend auf Lager ist.
  • C-Artikel (Verbrauchsmaterial): Kabel, Zählerschränke, etc. – hier erfolgt die Beschaffung regionaler, oft beim Großhändler.


In der PV-Logistik gibt es kaum Puffer. Wenn die Schienen fehlen, steht das Team. Hier spielen die Assets der Muttergesellschaft ihre Stärke aus:

  • Der Fuhrpark: Die Kemmler Logistik GmbH mit über 120 LKW ist der größte Wettbewerbsvorteil. Fahrzeuge mit Kran, Mitnahmestapler und 40-Meter-Seilkran können Material on-demand auf das Dach heben. Das spart den wochenlangen Aufbau von Standkränen und schont die Mitarbeiter.
  • Der Prozess: Eine Person kümmert sich Vollzeit um die Projektsteuerung. Die Anlieferung des Materials (Gerüst, PV-Komponenten) muss perfekt getaktet sein – idealerweise am Vorabend oder morgens vor Eintreffen des Montageteams.
  • Herausforderungen: Die Batterien sind Gefahrgut (schwer und spezielle Handhabung), es gibt enorme Mengen an Kartonage (Besenrein-Verlassen der Baustelle als Qualitätsanspruch) und es muss ständig ein Puffer für Schlechtwetter oder unvorhergesehene Gegebenheiten (falsche Dämmung, falsche Schrauben) eingeplant werden.
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Der Blick nach vorn: Das Energiesystem

Der Solarmarkt entwickelt sich weiter. Adrian Šonje sieht zwar eine leichte Konsolidierungsphase im Residential-Bereich, aber ein starkes Wachstum im Commercial-Bereich (große Hallen, öffentliche Bauten).

Die größte Herausforderung für das Wachstum ist der Fachkräftemangel. Kemmler Solar investiert kontinuierlich in Personal, um die Taktung aufrechtzuerhalten. Die strategische Ausrichtung für die kommenden Jahre ist klar: Das Gesamtsystem.

Anbieter, die sich nur auf eine Komponente (nur Module, nur Wärmepumpe) fokussieren, werden Probleme bekommen. Die Zukunft gehört dem ganzheitlichen Energiesystem:

PV-Anlage + Speicher + Wallbox + Wärmepumpe = Systemlösung

Kemmler Solar ist offen, sich technologisch in diese Bereiche auszudehnen, um seinen Kunden ein umfassendes, vertrauenswürdiges Angebot machen zu können. Das Potenzial, in die Fläche des Kemmler-Kernmarktes (Baden-Württemberg und Bayern) zu skalieren und die dortige Logistik-Infrastruktur zu nutzen, ist riesig.

Fazit

Das Corporate Start-up Kemmler Solar hat eindrucksvoll bewiesen, dass man Wachstum durch Synergie erzielen kann. Der Erfolg basiert auf drei Säulen:

  1. Kundenfokus: Ein Geschäftsmodell, das die Schwachstellen der Bestandskunden (Dachdecker) adressiert.
  2. Markenvertrauen: Die 140-jährige Kemmler-Marke als Vertrauensanker im volatilen Solarmarkt.
  3. Logistik-Power: Die konsequente Nutzung der eigenen LKW- und Lagerinfrastruktur als unschlagbaren Wettbewerbsvorteil in der Baulogistik.


Das Resultat: Ein junges, wachsendes Unternehmen mit der Zuverlässigkeit eines etablierten Mittelständlers.

Hätte Hätte Lieferkette Podcast Cover. Ein isometrischer Lkw in gelb und grau, dessen Plane oben offen ist. Daraus springt ein Mikrofon.

Der Baulogistik- &
Supply-Chain-Podcast

mit Lennart Paul