Veröffentlicht am 03.11.2025
Die Baulogistik und die gesamte Supply Chain diskutieren über Digitalisierung, KI-Chips und E-Lkw. Aber die wohl kostbarste und gleichzeitig am meisten vernachlässigte Ressource im Straßen-Güterverkehr sind die LKW-Fahrerinnen und Fahrer. Davon gibt es immer weniger, und Transportunternehmen müssen sich heute schon sehr strecken, um überhaupt Personal zu finden.
Yesica Ríos von JobMatch hat tiefe Einblicke in diese Problematik gewonnen und zeigt, warum der Fahrermangel nur durch einen fundamentalen Kulturwandel (und nicht nur durch höhere Gehälter) gelöst werden kann.
Die Zahlen sind dramatisch: In Deutschland fehlen laut Schätzungen zwischen 70.000 und 100.000 Fahrer. Europaweit könnten es bis 2028 sogar 750.000 sein. Die Ursachen sind klar: Demografie (30.000 Fahrer gehen jährlich in Rente, zu wenig Nachwuchs) und die gesellschaftliche Akademisierung.
Dazu kommt das Gehaltsgefälle, das für Frust sorgt. Die Erwartungshaltung liegt bei 3.388 Euro brutto im Monat, während der Durchschnitt der Ist-Zustände bei 2.770 Euro liegt. Das ist ein 600-Euro-Gap, ein ernstzunehmender Faktor für Unzufriedenheit und Kündigungsbereitschaft.

„Wir sprechen immer über Fahrermangel, aber oft fehlt es gar nicht an Menschen, sondern daran, wie wir mit ihnen umgehen."
Wer unzufrieden ist, wird krank. Punkt. „Lkw-Fahrer sind im Schnitt neun Tage länger krank als andere. Das ist nicht nur Statistik, das ist ein Alarmsignal.“
Der Gesundheitsreport der Barmer Krankenkasse zeigt, dass Lkw-Fahrer im Schnitt 33 Krankheitstage haben. Das sind 9,3 Tage mehr als die durchschnittliche Referenzgruppe in Deutschland. Das ist bares Geld, das die Speditionen verlieren.
Die Hauptursachen sind Muskel-Skelett-Erkrankungen, aber vor allem psychische Erkrankungen, deren Anteil sich in den letzten Jahren erhöht hat. Die Belastung durch Verkehrsstress, die wirtschaftliche Lage und der allgemeine Druck nagen an der Gesundheit.
Das Management muss das Ganze ganzheitlicher sehen: Wer vorne in Gehalt und Unternehmenskultur investiert, erhält hinten mehr Arbeitsleistung, weil die Mitarbeiter seltener ausfallen.
Der Blick auf die Studien von JobMatch mit 25.000 Teilnehmern offenbart, dass das Gehalt nicht das einzige Problem ist (49 % waren zuletzt unzufrieden):
Die Branche reagiert laut Yesica Ríos oft zurückhaltend auf den Mangel. Dabei liegen die Ursachen für LKW-Fahrermangel in 2025 oft in den einfachsten Dingen, den sogenannten „Low-Hanging Fruits“:
Recruiting ist erst beendet, wenn der Mitarbeiter gebunden ist. Zur Mitarbeiterbindung (Retention) ist die Beziehung zwischen Chef und Mitarbeiter entscheidend.
Yesica Ríos hat einen klaren Ausblick: Die Zukunft des Recruitings liegt in der menschlichen Komponente. KI mag mit Agenten kommen , aber der menschliche Kontakt und die Wertschätzung werden durch keine LLM (Large Language Model) ersetzt.
Die Speditionen sollten eine klare Strategie entwickeln, die den Mitarbeitern eine Karriere aufzeigt. Das beste Recruiting-Tool ist und bleibt die hohe Retention, denn die eigenen, zufriedenen Mitarbeiter sind die besten Multiplikatoren und das beste Argument für alle, die neu dazukommen wollen.
Den Gesundheitreport zum Nachlesen gibt es hier.