Veröffentlicht am 10.07.2025
Wer heute noch glaubt, dass Logistik einfach nur „Lkw fahren“ bedeutet, der sollte die 10. Folge von “Hätte Hätte Lieferkette” hören oder diesen Artikel lesen. Denn der Logistikprofessor Martin Schwemmer aus Heilbronn hat nicht nur Bock auf Logistik, sondern auch auf echte Veränderung.
Martin Schwemmer ist so etwas wie der Analyst der deutschen Logistikszene. Nach 14 Jahren Fraunhofer, einer Zwischenstation bei der Bundesvereinigung Logistik (BVL) und jetzt als Professor in Heilbronn kennt er die Branche in- und auswendig – von ihrer träge-bürokratischen Seite genauso wie von ihrer kreativen.
Sein Spezialgebiet: Innovation in der Logistik und was davon tatsächlich ankommt. Denn Schwemmer sieht sich nicht als Buzzword-Prediger, sondern als Realist: „Innovation zeigt sich nicht im Pitchdeck, sondern in der Gewinn- und Verlustrechnung. Und zwar nicht nur für einen kurzen Peak
Seit über zehn Jahren beobachtet Schwemmer die Entwicklung von Logistik-Start-ups in Deutschland und zieht in seinem Buch (2. Auflage erscheint am 19. August) eine schonungslose Bilanz: 25 % der Start-ups aus der ersten Erhebungswelle sind verschwunden.
Viele Plattformmodelle straucheln wegen langer Sales-Zyklen, fehlendem Vertrauen und schwieriger Marktmechanik. Der große Exit? Selten. Häufiger: stille Übernahmen durch etablierte Player, vor allem im Bereich Intralogistik. Ein typischer Hype-Cycle eben. Erst fließt das Geld (2020/21), dann kommt die Ernüchterung (2023/24), jetzt muss sich zeigen, was Substanz hat.
"Logistik ist nicht Netflix. Hier braucht's zehn Besuche für einen Deal."
Mein Gast bringt es auf den Punkt: „Ein Film, eine Pizza und ein Uber in 60 Minuten? Im B2B dauert es zehn Meetings, um eine Ladung zu bekommen.“ Plattformmodelle scheitern in der Logistik oft an der Realität der Branche: persönliche Netzwerke, lange Entscheidungswege, geringe Standardisierung. Oder wie ich es gerne sage: „Wenn jemand das mit zweimal hingehen schafft, will ich eine Masterclass.“
Das Ergebnis: Viele Plattformen pivotieren vom Marktplatz zur SaaS-Lösung. Oder verschwinden ganz vom Markt.
Was bleibt, ist eine zentrale Erkenntnis: Die ganz großen Sprünge passieren nicht allein in der Start-up-Welt, sondern im Zusammenspiel mit etablierten Unternehmen. Denn dort liegt das Kapital, die Marktkenntnis und (meist) die operative Exzellenz. Martin Schwemmer plädiert deshalb für:
Mehr ernstgemeinte Kooperationen („Keine Spielwiese, sondern echter Prozess“)
Venture Clienting statt nur Labs und Pitches
Und: Geduld. Denn Skalierung dauert (besonders in der Logistik)
Auch im akademischen Umfeld schlägt Schwemmer neue Wege ein: Mit 200 Quadratmetern Messepräsenz auf der transport logistic, Forschung zu digitalen Zwillingen, Citylogistik und automatisierter Mobilität sowie der Neuauflage der Top 100 Logistik-Studie zeigt Heilbronn, dass „angewandte Forschung“ nicht nur gut klingt, sondern gemacht wird.
Martin Schwemmer glaubt an die Zukunft der Logistik, aber nicht an Luftschlösser. Wer heute wirklich etwas bewegen will, muss Prozesse verstehen, Substanz liefern und offen für neue Allianzen sein.
Sein Buch erscheint am 19. August – und wer wissen will, wie die Logistik von morgen entsteht, sollte reinklicken. Oder wie Schwemmer es nennt: „Das Mosaik einer möglichen Zukunft der Logistik“.