Veröffentlicht am 05.09.2025

Warum Steffen Neelsen keine Angst vor der Intralogistik hat (und was das über die Zukunft im Baustoffhandel verrät)

Als ich Steffen Neelsen das erste Mal getroffen habe, wollte er eigentlich ein Praktikum bei mir machen. Aber er hatte Glück im Leben und ist jetzt Gesamtlogistikleiter bei der Schröder Bauzentrum Gruppe. Als Head of Logistics steuert er die Logistik von 12 Fachhandelsstandorten in Norddeutschland.

Die Idee, ein Gespräch mit ihm für „Hätte Hätte Lieferkette“ aufzunehmen, war schnell klar. Steffen ist jemand, der nicht nur weiß, wo die Lkws fahren, sondern auch, warum dieses Wissen allein nicht für einen effizienten Prozess reicht. Neben den typischen Wehwehchen wie Fahrermangel behält er auch die Intralogistik im Blick. Er erzählt mir, Intralogistik ist der Ort, an dem sich entscheidet, ob ein Baustoffhändler rentabel arbeitet oder Geld verbrennt.

Intralogistik bei Schröder: Steffen Neelsen im Porträt

Von der Oberliga in die Logistikleitung

Steffen ist jung, ehrgeizig und hat den Baustoffhandel nicht geerbt, sondern sich erarbeitet. Erst Studium, dann duales Studium, dann Schröder Bauzentrum, dann nochmal raus, dann wieder zurück zu Schröder. Immer mit dem Anspruch, besser zu verstehen, wie das alles zusammenhängt: Prozesse, Technik, Menschen.

Und weil jeder ambitionierte Typ irgendwie noch eine Profikarriere nebenher versucht hat, war da natürlich auch noch Steffens Liebe zum Regionalliga-Fußball. Wer das mal gemacht hat, weiß, wie viel Zeit, Druck und Verantwortung das bedeutet. Steffen sagt über seine selbst: „Die beste Ausbildung für eine Führungskraft ist der Mannschaftssport.“

Die neue Rolle als Head of Logistics

Seit dem 1. August ist er offiziell in der neuen Funktion. Gesamtleitung Logistik. Klingt groß. Ist es auch. Und weil er das Unternehmen seit Jahren kennt, fällt die Umstellung nicht schwer. Die Kollegen kennen ihn. Die Standorte kennt er. Und die Probleme sowieso. Jetzt darf er sie lösen. „Ich will, dass wir uns unsere Strukturen selbstbewusst anschauen. Und überlegen, wo wir besser werden können.“

Vom Kirchturm bis zur Insel

Die Schröder-Gruppe ist nicht zentralisiert durchdesignt. Sondern eher ein Cluster-System. Heide, MV, Brandenburg, Inseln wie Sylt oder Föhr. Unterschiedliche Marken und unterschiedliche Gegebenheiten auf einer weiten Fläche. Daher wollte ich wissen, wie bringt man das alles zusammen, ohne alles gleichmachen zu wollen?

Steffen sieht das pragmatisch. Um den „Kirchturm“ herum machen die Standorte ihre eigene Logistik. Alles darüber hinaus wird zentral gedacht, aber nicht zentral befohlen. Mit eigenen Standorten auf Sylt und Föhr organisiert das Team die Lieferungen komplett dezentral: Touren werden vor Ort disponiert, Fahrzeuge sind an die Inselbedingungen angepasst, und die Fährlogistik sitzt

Logistik: Zwischen Werkstein und Webshop

Was macht ein Fachhändler, wenn Kunden heute Track & Trace wollen, morgen aber noch im Baumarkt den Bordstein anfassen möchten? Er muss beides anbieten. Und zwar so, dass sich niemand überfahren oder vergessen fühlt.

Steffen erzählt von Kunden, die PDF-Lieferscheine wollen. Von Anforderungen, die digital starten und analog enden. Und von der Herausforderung, 30 Lkw so zu disponieren, dass keiner leer zurückfährt und alle die richtige Ware geladen haben.

Steffen Neelsen

Steffen Neelsen

„Wir können nicht alles gleichzeitig überautomatisieren. Aber wir können anfangen, Prozesse zu hinterfragen, Daten zu nutzen und uns klarzumachen, wo wir Geld verlieren."

Intralogistik als blinder Fleck

Spätestens an dieser Stelle war mir klar: Steffen will nicht nur Lkw durch die Gegend schicken. Er will verstehen, warum ein Kommissionierer zehn Minuten für eine Palette braucht. Und ob das auch in sieben geht.

Die Intralogistik ist in vielen Häusern der weiße Fleck auf der Landkarte. Oder besser: der teure. Denn schlechte Intralogistik kostet. Zeit, Nerven und Marge.

Steffen hat bei Jungheinrich gearbeitet. Er kennt die Systeme, die Fördertechnik, die Software. Und er fragt sich, ob ein Pick-by-List-Prozess in einem gemischten Lager heute noch das Richtige ist. „Ich sehe da viel Potenzial. Aber eben nicht durch Leuchtturmprojekte, sondern durch saubere Basics.“

Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern Werkzeug

Digitalisierung ist für Steffen kein Buzzword. Sondern Controlling, Transparenz und Entscheidungsgrundlage. Er sagt: „Ich will wissen, wo wir Geld auf der Straße liegen lassen. Und das geht nur über saubere Daten.“

Klingt banal. Ist es aber nicht. Denn viele Baustoffhändler fliegen heute noch blind. Oder mit einem TMS, das keiner nutzt. Oder mit einem LVS, das nie angepasst wurde.

Steffen verbringt seine Feierabende manchmal mit SQL-Abfragen. Nicht, weil er muss. Sondern, weil er es will. Weil man nur dann über Logistikkosten sprechen kann, wenn man sie versteht.

Sind E-Lkw, PV und WhatsApp die Zukunft?

Bei Schröder gibt’s PV-Anlagen seit 2010. Das E-Lkw-Pilotprojekt mit Renault ist gut gelaufen. Und die Ladeinfrastruktur steht auch schon.

Aber Steffen denkt weiter: Webshop-Logistik, schnellere Durchlaufzeiten, proaktive Kundenkommunikation und vielleicht auch mal eine WhatsApp-Nachricht statt einer SMS, wenn der Lkw sich verspätet.

Er sagt: „Der Kunde will wissen, wann die Ware kommt. Und nicht dreimal anrufen müssen.“

Fazit: Logistik ist nie fertig

Was ich aus dem Gespräch mit Steffen mitnehme? Erstens: Intralogistik ist nicht lästig. Sondern entscheidend. Zweitens: Wer Kunden ernst nimmt, muss seine Systeme verstehen. Drittens: Logistik kann man lernen. Auch ohne Großvater im Betrieb.

Steffen hat keinen klassischen Weg gemacht. Aber einen konsequenten. Und das merkt man. Wenn er über Inselbelieferung spricht, über chaotische Lager oder Track & Trace, klingt das nicht nach Buzzword. Sondern nach Baustelle.

Vielleicht hätte er damals wirklich das Praktikum bei mir machen sollen. Aber für den Baustoffhandel war’s wahrscheinlich besser so.

Hätte Hätte Lieferkette Podcast Cover. Ein isometrischer Lkw in gelb und grau, dessen Plane oben offen ist. Daraus springt ein Mikrofon.

Der Baulogistik- &
Supply-Chain-Podcast

mit Lennart Paul